Donnerstag, 27. Dezember 2007

Die Zeit der DDR läuft ab

In den nächsten Jahren bis zur Wende gab es noch weitere Bemühungen zur Organisation von Bluesfeten. Ich hatte es noch nicht aufgegeben „Travelling Blues“ bei uns auf die Bühne zu holen. Schon 1984 unternahm ich einen weiteren Anlauf und hatte wohl auch schon von der Band grünes Licht, die auch noch zwei weitere Termine an diesem Wochenende in unserer Gegend hatten. Auch die Einladung hatte ich schon und die Kneipe in Wassmannsdorf war wieder bereit. Auch hier scheiterte die Sache wieder an der staatlichen Genehmigung.

1985 gab es eine Faschingsbluesfete in Sperenberg. Diese wurde hauptsächlich von unserem Sperenberger Freundeskreis organisiert. Dort kannte Uli Pr. den Kneiper und es gab keine Probleme. Ich steuerte die Einladung bei. Wer dort die Musik machte, weiß ich nicht mehr – jedenfalls könnte ich mir vorstellen dass die Musiker aus unserem Freundeskreis kamen.
1986 hatte ich dann nochmals und diesmal letztmalig einen vergeblichen Versuch mit „Travelling Blues“ unternommen. Erst 1988 fand die nächste geglückte Fete mit „Piano Schulze“ im Dahlewitzer Jugendclub statt. Wie es mir gelungen ist hierfür die Genehmigung zu erhalten, kann ich nicht mehr sagen. Die Turnhalle in der die Fete stattfand, stand unter Regie der Dahlewitzer Schule und damit hatte der Direktor, Herr Scholz das Sagen. Dieser war sehr kooperativ und hatte ein Herz für die Jugend (obwohl unsere Jugend inzwischen auch vorbei war), wie mir auch damals in den Zeiten des Dahlewitzer Jugendclubs bewusst wurde. Jedenfalls war er nicht so ein „Betonkopp“ wie sie einem nur zu oft in den Verwaltungen und staatlichen Stellen begegneten. Der Jugendclub muss die Veranstaltung wohl als öffentliche Tanzveranstaltung angemeldet haben. Jedenfalls kamen wir dann mit unserer Bluesfete wieder einmal zum Zug.
Wer neben Thomas „Piano“ Schulze noch auf der Bühne stand, weiß wahrscheinlich nicht einmal mehr Thomas. Auch geben die spärlich vorhandenen Fotos darüber keinen Aufschluss.

Inzwischen war die DDR fast an ihrem Ende angelangt nur konnten wir uns das zur Zeit dieser Fete kaum vorstellen. Nicht zu übersehen war jedenfalls, dass es im Land brodelte. Auch aus unserem Freundeskreis verließen immer mehr Menschen ihr Land oder hatten einen Ausreiseantrag gestellt. Um dieses Gesprächsthema gab es viele Diskussionen. Ich gehörte zu denjenigen, die dort bleiben wollten, nicht weil ich die DDR so mochte, sondern weil ich eine kranke Mutter hatte, die ich nicht zurücklassen wollte. Jedenfalls waren wir damals in dieser Hinsicht ziemlich Hin- und Hergerissen.

Sonntag, 16. Dezember 2007

Diestelmann in Wassmannsdorf – 11. Juni 1983

Nach dem Scheitern der vorigen Fete in Güterfelde gab es eine Atempause bis 1983. Für mich persönlich gab es in dieser Zeit eine berufliche und familiäre Wende. 1980 wurde meine Tochter Johanna geboren und ich lebte nun mit Astrid zusammen, bald auch in einer eigenen Wohnung. In diese Zeit fiel auch der Abbruch meiner Lehrerlaufbahn und die Aufnahme wechselnder Jobs. Die Umstände erlaubten mir in der Folge wieder mehr Zeit für die Freunde zu haben und ich hatte wieder Lust weitere Feten zu organisieren.
Nach den Erfahrungen mit der letzten Fete musste ich es nun geschickt anstellen, die Behörden auszutricksen. Dies gelang dann auch durch die Wahl eines neuen Kreises für die Fete. Wassmannsdorf ist ein kleiner Ort bei Schönefeld und gehörte zum Kreis Königs- Wusterhausen. Um ganz sicher zu gehen gewann ich Albrecht E. für die Anmeldung da mein Name doch verbrannt schien.
Wie ich meiner „Erinnerungsmappe“ entnommen habe, war für die Fete zunächst die Thüringer Band „Travelling Blues“ vorgesehen. Mit Dieter Gasde wechselte ich einige Briefe zur Abstimmung des Termins. Da die Band aber mindestens zwei Termine im Berliner Raum für die Veranstaltung brauchte und ich keinen zweiten Termin besorgen konnte, kam es zu keinem Vertrag. Die Transportkosten hätten wir allein nicht übernehmen können. Daher musste kurzfristig Ersatz her.
Glücklicherweise hatte Stefan Diestelmann noch einen Termin für uns frei. Zu dieser Zeit muss er bereits zunehmend bei den staatlichen Stellen der DDR in Ungnade gefallen sein. Er war zuerst der Vorzeige-Bluesmusiker der DDR schlechthin bekam aber nach und nach weniger Auftrittsmöglichkeiten.
Mit seiner ursprünglichen Band hatte er sich wohl auch überworfen und er spielte bei uns mit neuer Besetzung. Dabei war auch der Pianist Alexander Blume. Jedenfalls kam der Vertrag mit Diestelmann kurzfristig zustande.
Neben dem Auftritt von Diestelmann gab es auch wieder im Anschluss eine Session mit befreundeten Musikern. Wer das im Einzelnen war kann ich nicht mehr sagen wenn die Fotos nicht den Beweis liefern. Wieder hatte ich den Teilnahmebetrag im Voraus kassiert und es kam genügend Geld zusammen, dass die Band bezahlt werden konnte, (Stefan spielte zum Vorzugspreis von ca. 400,-M) wohl noch für jeden eine Bratwurst mit Kartoffelsalat oder so was angeboten wurde und dann noch Freibier floss.



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Montag, 10. Dezember 2007

Die Staatsmacht verhindert weitere Bluesfeten

In der Folge wurde es immer schwieriger die Bluesfeten zu organisieren. Für Feiern, auch für Privatfeiern in Gaststätten über eine bestimmte Personenzahl hinaus, war es notwendig eine Genehmigung bei der zuständigen Stelle im Kreis einzuholen. Wenn dies nicht die Gaststätte übernahm, musste man selbst dorthin und eine Veranstaltungsmeldung in vierfacher Ausfertigung abgeben (eine behielt man selbst, eine für den ABV also den Dorfpolizisten, bestimmt eine für die Stasi und eine verblieb beim Kreis) und die Veranstaltung mit Unterschrift und Stempel absegnen lassen. Die Wirte ließen sich auf nichts mehr ein und wie im Nachhinein deutlich wurde hat man auf sie Druck ausgeübt.

Jedenfalls war schon im Frühjahr 1979 die nächste Fete mit der gerade erst gegründeten Band „Freygang“ geplant. Die Details sind mir nicht mehr im Gedächtnis. Ich weiß nur, dass ich André Greiner-Pohl mit seiner Geige irgendwann mal gehört hatte und beeindruckt war. Lediglich der Vertrag mit der Gruppe für den 11.März dieses Jahres befindet sich noch in meinem Besitz. Woran diese Veranstaltung scheiterte weiß ich nicht mehr. Das Verbot dieser Band war erst 1984 also daran kann es nicht gelegen haben.

Schon im Herbst desselben Jahres erfolgte ein erneuter Versuch. Diesmal wollte ich „Engerling“ engagieren, die damals zu meinen Favoritenbands gehörte. Zu jener Zeit spielte „Engerling“ vor allem viele Blues-Standards und erst so nach und nach kamen die Eigenkompositionen dazu. Ich erinnere mich an ein Konzert im Saal der Blankenfelder Gaststätte „Schwan“, der kurz darauf wegen angeblicher Baufälligkeit abgerissen wurde. (Wir hatten eher den Verdacht, dass man eine Lösung für die unliebsamen Jugendtanz -veranstaltungen wollte, die so einigen ein Dorn im Auge waren weil sie auch viele Berliner Jugendliche anzogen die als Jeans und Parkaträger nicht ins Bild passten und es passierte auch manchmal Randale) Jedenfalls war dieses Konzert ein Ereignis. Der Saal brodelte unter dem stampfenden Rhythmus des Blues. Wohin man sah nur Jeans und Parka.

Dort traf ich auch Frau K. zum ersten Mal nach der Schule (denn sie war meine Lehrerin) und wir kamen ins Gespräch. Sie war offenbar großer Musikfan, im Besitz einer Plattensammlung und kannte viele Leute u. a. auch Musiker von „Engerling“. Es kam daraufhin ein mehrjähriger Kontakt zustande weil auch ich Platten sammelte und durch meine Mutter, die als Invalidenrentnerin in den Westen fahren konnte, immer wieder mit Nachschub versorgt wurde. Ich fuhr des Öfteren zu Frau K. und brachte ihr Platten, nahm mein Tonbandgerät mit und überspielte von ihr das Gewünschte. Währenddessen tranken wir Tee und unterhielten uns auch über Politik. Kein Wort davon findet sich in meiner Stasi-Akte obwohl sich später herausstellen sollte, dass sie IM war – schon merkwürdig

Es kam also ein Vertrag mit „Engerling“ zustande und die Gaststätte in Güterfelde war auch bereit für eine weitere Fete. Allerdings war die Hürde der polizeilichen Anmeldung zu nehmen. Ich fuhr also mit meinem Mokick S50 nach Potsdam um dies zu erledigen und musste unverrichteter Dinge wieder umkehren weil ich keine Genehmigung bekam. Was dann folgte war ein verbissenes Bemühen, die Veranstaltung doch noch zu retten. Die Einzelheiten bekomme ich nicht mehr zusammen, doch versuchte ich es auf verschiedenen Wegen. So wollte ich als Student der Fachrichtung Polytechnik – Die Fete war als Studienjahrestreffen deklariert- die Befürwortung des Studienjahresleiters einholen. (zu dem Termin kam Sabine S. zur Unterstützung mit, soweit ich mich erinnere – wir redeten wohl wie ein Buch auf den Genossen Sladek ein, doch ohne Erfolg)
Auch die Idee einer kurzfristigen Zusammenarbeit mit örtlichen Jugendclubs brachte nichts.
Alle Bemühungen scheiterten und die Fete musste kurzfristig abgesagt werden


Ich rechnete mit einer Vertragsstrafe durch „Engerling“ und benachrichtigte alle Leute die ihr Geld im Voraus eingezahlt hatten von dem Desaster. Zum Glück war der Manager von der Gruppe (Gerd Leiser) sehr einsichtig und verzichtete auf das Geld. Somit konnte ich alles wieder zurückzahlen.

Donnerstag, 6. Dezember 2007

Folk- Blues in der "Petersilie"

Am 11.November 1978 fand die dritte von der „Blues-AG“ (diese Bezeichnung gab es nur intern unter ein paar Freunden) organisierte Veranstaltung in der Ludwigsfelder Gaststätte „Petersilie“ statt. Dabei handelte es sich um das Spartenheim einer Kleingartenanlage. Die Kontakte zur Gaststätte knüpfte wohl „Schweine-Siggi“, der in Ludwigsfelde ansässig war. Da er leider verstorben ist, kann ich ihn nicht mehr befragen.

Jedenfalls kam die Fete nach altbewährtem Muster zustande. Die Einladung war diesmal ein Foto, welches ich in Eigenregie vervielfältigte. Von einem Computer waren wir damals noch etliche Jahre entfernt.

Zu dieser Zeit gab es neben den Blues- und Rockbands auch immer mehr Folkbands. Im Vorfeld hatte ich schon einige Konzerte dieser Bands besucht. Bekannt und beliebt waren u.a. „Folkländer“ (Leipzig) und „Skye“ (Berlin) und „Brummtopf“ (Erfurt). Wir jedenfalls rekrutierten „Bettelsack“ (Halle) und „Wacholder“ (Cottbus)

WACHOLDER! WACHOLDER ?

Da war doch noch was?

Stimmt.

Da gab es diese Folk-Band, gegründet 1978 in Cottbus von Studenten der Hochschule für Bauwesen, deren Mitglieder allesamt schon drei Jahre später einen Berufsmusiker-Abschluss des dortigen Konservatoriums und damit die rare, aber offizielle Erlaubnis in der Tasche hatten, als professionelle Folk-Musiker durch die (ost-) deutschen Lande zu ziehen und diese mit ihrer erfrischenden Art des Umgangs mit so genanntem traditionellen Liedgut unsicher zu machen. Was sie reichlich taten und damit, wenn schon nicht Weltruhm - was u. a. Bauarbeiter ihrer frühen Kindheit durch übertriebene Tätigkeit an einem lang gestreckten Mauerwerk, später dann die Diener ihrer eigenen, der herrschenden Klasse verhinderten - doch aber einen gewissen Kultstatus erworben haben, und sie ließen sich nach der Wende auch nicht von einer großzügigen Ausdehnung ihrer Aktivitäten abhalten.

Mit ihren diversen Instrumenten, einige sehr gewöhnungsbedürftig für so manchen Puristen, vielen Programmen mit neuen und alten Folksongs, vor allem letztere trotz geänderter politischer Vorzeichen immer wieder ins Schwarze treffend, ihren, während der 12 DDR-Jahre erschienenen 2 LPs in den folgenden 11 gesamtdeutschen Jahren ihrer Existenz 4 weitere Scheiben in CD-Form hinzufügend, waren sie bis ins nächste Jahrtausend,alsoganze23 Jahre, eine verlässliche Hausnummer in der deutschen Folkszene.


Es gibt sie immer noch – nach nunmehr 30 Jahren starten sie dieser Tage ihre wohl letzte Tournee. Auf ihrer Homepage kann sich jeder informieren (siehe Linkliste)

Die andere Folkband war also Bettelsack aus Halle. Deren Spuren verlieren sich scheinbar bald. Keine LP steht in meinem Plattenschrank und die Recherche im Internet erbrachte auch nur dürftige Ergebnisse. Zwei Mitglieder der Band müssen wohl kurze Zeit später für politische Aktivitäten im Stasi-Knast „Roter Ochse“ gelandet sein. Wer sich darüber informieren will sollte das äußerst interessante Dokument zur Zeitgeschichte aus der Linkliste lesen.

Weiterhin traten noch die Gitarristen Jürgen Eger und Roland Köhler auf. Jürgen Eger ist eher ein Singer-Songwriter. Er spielte Songs mit deutschen Texten und auch ein paar Bluesnummern. Später trat er u.a. mit einem Brecht-Programm auf. Er war politisch aktiv und bezeichnet sich heute als Widerstandskämpfer und Menschenrechtsaktivist. Über seine gegenwärtigen musikalischen Aktivitäten konnte ich nichts finden. So bleibt mir die Erinnerung und die LP „Kleeblatt Nr.7“ auf der er mit drei Titeln vertreten ist.

Roland Köhlers Spur verliert sich schon vor dem Ende der DDR. Wenn ich mich recht erinnere war auch er, wie so viele, auch unserer Freunde, in den Westen gegangen.

Wie der Abend verlief, daran habe ich wenig Erinnerungen. Hier fehlen Fotos zur Unterstützung völlig. Frau K., meine ehemalige Lehrerin (und IM wie sich später herausstellte) war auch dabei. Sie hatte einige ihrer Berliner Freunde mitgebracht und diese Gruppe war wohl dann enttäuscht, dass es sich nicht um einen reinen Bluesabend handelte.

Alles in Allem war die Veranstaltung aber doch gelungen denn die Meisten hatten Spaß.