Samstag, 17. November 2007

1. Diestelmannfete in Glasow

Es muss wohl im Jahr 1975 gewesen sein, dass sich die Idee entwickelte eine private Bluesfete zu organisieren bei der zunächst „Diestelmann & Co“ in einer regionalen Kneipe auftreten sollten.
Mein erster Kontakt zu Diestelmann kam bei einem Konzert seiner damaligen Band „Vai hu“ auf der Freilichtbühne Biesdorf zustande. Jedenfalls war ich schon dort von der Musik der Band beeindruckt. Soweit ich mich erinnere, fragte ich bei der Band nach, ob sie im Jugendclub Dahlewitz auftreten würden. Da ich dort im Clubrat mitarbeitete wollte ich ein solches Konzert organisieren. Wir hatten schon die Plakate von „Vai hu“ und einen Termin in der damaligen Turnhalle Dahlewitz (der späteren Diskothek „Primavera“ ) klargemacht als sich „Vai hu“ auflösten und „Diestelmann & Co“ gegründet wurde.
Die neue Band orientierte sich mehr am Folkblues und war für die damalige Bluesgemeinde ein Novum.

So traten also erstmal „Diestelmann & Co“ in Dahlewitz vor nur wenigen Leuten auf. Wir hatten damals kaum Werbung gemacht, weil wir befürchtet hatten, dem Ansturm nicht gewachsen zu sein. Wie die Erfahrung uns gelehrt hatte reisten bei ähnlich gearteten Veranstaltungen Fans aus weiten Teilen der Republik an. Dafür reichte die „Mund zu Mund Propaganda“. Daher waren wir erstaunt, dass dieses Konzert fast in privatem Rahmen stattfand aber trotzdem sehr gute Erinnerungen weckt. Damals müssen wir Blut geleckt haben.
Es entstand also die Idee eine private Bluesfete zu organisieren. Diese Idee wurde im Freundeskreis vor allem von mir, Wilfried und Thomas Sch. umgesetzt. Als Gaststätte wurde „Rädler“ in Glasow von uns ausgewählt. Die polizeiliche Anmeldung übernahm der Kneiper. Ich glaube wir haben es als Geburtstagsfeier deklariert. Das ging zu dieser Zeit noch reibungslos
über die Bühne. Wilfried hat eine Einladung gestaltet, den Text hatte ich mit der elterlichen Schreibmaschine geschrieben. Vervielfältigt haben wir die Einladung auf einer Druckerpresse von Martins Vater dem damaligen Blankenfelder Pfarrer. Dies war unter DDR-Verhältnissen schon eine etwas riskante Angelegenheit.
Von den Teilnehmern wurde eine Teilnahmegebühr von 12,-M im Voraus per Postanweisung erbeten. Der Einzahlungsbeleg war die Eintrittskarte. So stand der Fete nichts mehr im Wege.


Diestelmannfete in der Gaststätte „Rädler“ in Glasow
Dank Astrids Tagebuch habe ich meine Erinnerungen an den 17. Dezember 1977 auffrischen können.. Erwähnung finden in Astrids Aufzeichnungen Martina Cz./Karin K./Seppel /
Thomas Sch.(mit einem Loch in der Levis hinten)/Fichtel/Erbse/Martin V./Albrecht + Beate E./Knopper/Thomas St./Birgit/Ingolf/Norbert/Kerstin &Rolli/Schweine Siggi/Blondi & Wallenstein/Angelika und Doris…. Die Reihe der Namen ließe sich aus eigener Erinnerung oder anhand der Fotos noch fortsetzen.
Jedenfalls waren an besagtem Tag um 17 Uhr als Astrid mit ihren Freundinnen eintraf bereits einige dieser Leute anwesend. Man wartete gemeinsam in der Gaststätte bei Bier auf das Eintreffen der Band welche sich dann nach und nach einstellte. Wie damals üblich fing man mit solchen Musikveranstaltungen bereits früh an, da um 24 Uhr Feierabend sein musste. Ich denke, dass die Musi also um 19 Uhr in dem kleinen Saal der Gaststätte zu spielen begann.
„Es war ganz toll. Diestelmann ist süß. Ingolf schnitt das Konzert auf Band mit. Sagenhaft! Thomas Sch. und Wilfried machten Fotos mit Blitzlicht. Berndchen (damals auf Urlaub von der Armee) war schon leicht angetrunken. Ich setzte mich nach vorne auf den Fußboden zu Martin und Ingolf. Wenn Diestelmann Pause machte spielten ein paar Jungs aus B’felde und Mahlow. Echt gut!! Klavier, Baß und Gitarre und Mundharmonika. Saustark! Der Frank aus Berlin
spielte auch Mundharmonika. Am meisten aber Fichtel. Er hat neuerdings kurze Haare. Der Junge aus Mahlow, den ich vom Kunstzirkel kenne, kann einwandfrei Gitarre spielen. „Rädler“ machte den absoluten Umsatz mit Bier. Auch Essen ging absolut weg. Am Ende, ich glaube kurz nach 12, gingen viele, denn der letzte Bus fuhr leider.“(Zitat Astrid)



Hinterher gab es noch eine Nachfeier bei Wilfried der damals noch in Dahlewitz in dem Bauerhof seiner Eltern eine Dachwohnung hatte. Ich zitiere noch einmal Astrid:
„Leider mussten wir laufen, die 96 lang. Dietrich von Diestelmann kam mit dem Auto mit. Bei L’s saßen wir alle oben in Wilfrieds Zimmer: Ingolf, Doris, Gela- Martin, Thomsett (Seppel), Dietrich (Blues) Werni, Gabi (aus Mahlow Freundin von Ellen)Thomas St., Knopper und noch ein paar irre Leute, Fichtel auch.
Berndchen ging dann bald schlafen, d.h. er wurde die Treppe runtergetragen,), Ein Junge und ein Mädchen die von Jena wegen Diestelmann extra hierher getrampt waren schliefen die ganze Nacht Wir quatschten mit dem Dietrich, er meinte es war ganz gut, er würde so etwas auf jeden Fall mal wieder machen.“
So nach und nach legten sich alle schlafen. Wilfried kippte als letzter ab und schnarchte vor dem Bücherregal. Astrid hat wohl nicht geschlafen und ich selbst kann mich nicht erinnern.
Das Ganze ging dann bis zum kommenden Mittag. Es endete mit einem Klaviertransport:
„Vorher halfen die Jungs aber noch den Flügel von Wilfried transportieren. Frau L. wollte das so. Werni half nicht, er stand daneben und meinte er übernimmt die Denkarbeiten. Fichtel hatte eine Flasche Bier in der Kutte die ab und zu überschwappte. Der Flügel knarrte schon sehr verdächtig“
Bericht des IM "Duett" über das Konzert

Auf Befragen teilte der IM zu o.g. Veranstaltung folgendes mit:
Anfang Dezember erhielt der IM von dem B., Ingolf wh. Dahlewitz, persönlich eine Einladung zur Teilnahme an einem Jazzkonzert in der Gaststätte „Rädler“ in Mahlow-Glasow. Für diese Veranstaltung wurde die Berliner Blueskapelle „Stefan Diestelmann und Co.“ verpflichtet, da diese einen guten Blues und Jazz spielt und zum anderen wesentlich billiger ist als gleichartige Kapellen. Die Organisation der Veranstaltung lag in den Händen des B. im Auftrag des Dahlewitzer Jugendclubs.(Hier irrt der IM). Der IM wurde deshalb eingeladen weil er ehem. Lehrer des B. war und zum anderen Anhänger des Blues ist.
Die ca. 60 geplanten Teilnehmer aus verschiedenen Teilen des Bezirkes erhielten eine schriftliche Einladung und gleichzeitige Aufforderung 12,-M Eintritt auf ein dem IM nicht bekanntes Konto zu zahlen. Der Einzahlungsbeleg sowie die Einladung berechtigten zum Eintritt. Die angeschriebenen Teilnehmer, vermutlich Studienkollegen des B., wurden aufgefordert, keine weiteren Personen mitzubringen, da die Räumlichkeitender Gaststätte Rädler begrenzt sind.
Die Veranstaltung selbst verlief ohne Vorkommnisse. Es war ein Tanzabend, zu welchem sich alle Teilnehmer trotz unterschiedlichen Alkoholgenusses anständig in Erscheinung traten.
Während der Veranstaltung wurde fotografiert, insbesondere die Kapelle, welche immer wieder für ihre gute Musik gelobt wurde. Die Kapelle selbst trat ebenfalls anständig auf.
Die Teilnehmer waren dem IM überwiegend unbekannt. Aus Mahlow nahm der J., K.-H.. mit seiner Freundin S. teil. (Nachfolgende Passage geschwärzt)
Die Veranstaltung endete ca. 24 Uhr. Beim Abtransport gab es einige Schwierigkeiten, da der letzte Bus verpasst wurde. Eine große Anzahl bestellten sich eine Taxe bzw. andere liefen zu Fuß zum nächsten öffentlichen Verkehrsmittel.
Soweit dem IM aus einem Gespräch mit B. bekannt ist, soll im Jahre 1978 eine weitere gleichartige Veranstaltung stattfinden.
Maßnahmen: Der IM wurde beauftragt den Personenkreis zu ermitteln und durch Abschöpfung des B. weiterhin Informationen über Termin und Zielstellung kommender Veranstaltungen zu erarbeiten
Die Fotos zum Konzert machte Thomas S. Er entwickelte sie auch zu Hause und stellte für eine Anzahl von Teilnehmern Booklets im Format 18X24 mit einer Auswahl der Fotos des Abends her. Die erste Ergänzung des Archivs brachte eine kürzliche Kontaktaufnahme zu Thomas, der seit Jahren auf der Insel Rügen lebt und er war so freundlich noch ein paar Fotos von den Feten beizusteuern, die ich in einem weiteren Webalbum veröffentlicht habe.




Nach langer Zeit habe ich heute mal wieder etwas intensiver der Musik gelauscht die ich damals fast genau vor dreißig Jahren auf einem Tonbandgerät der Marke ZK 246 aufgezeichnet hatte. Dieses Gerät gehörte schon zu den besseren der damaligen Zeit, doch das einzige meiner vielen Tonbänder, dass noch überlebt hat (die anderen wanderten in den Müll – ca.100 Stück zum damaligen stolzen EVP von etwa 25,-Mark; schade drum) hat doch qualitativ sehr gelitten. Noch dazu musste ich gleich nach dem Konzert feststellen, dass wir den Regler etwas zu weit aufgedreht hatten. Dadurch waren alle Aufnahmen etwas verzerrt. Trotzdem ist das Band für mich als Tondokument sehr wertvoll. Habe inzwischen die Musik auf den Computer kopiert und vielleicht kann daraus ein pfiffiger Tontechniker noch mal was Hörbares zaubern.
Impressionen vom Konzert
Der Ablauf des Konzertes sah also von der Musik her so aus:
Caldonia / Ma Babe / Rollin’ & Tumblin’ / Dust My Blues / Good Morning Little Schoolgirl / Spoonful / I Had A Dream / It’s My Own Fault / Reichsbahnblues / Mojo Workin’ / I Got The Blues When It Rains / Sonny/ Eleanor Rigby / Trouble In Mind / Country Roads/ Key To The Highway
Insgesamt gab es an dem Abend etwa drei Stunden Musik unterbrochen von mehreren Pausen. Die Gaststätte war gut gefüllt und die Atmosphäre war toll, ähnlich wie wir es schon von dem „Blauen Club“ in der Prenzlauer Allee kannten. Das Besondere war allerdings, dass sich hier die meisten Leute kannten. Die Musik verursachte auch schon durch die Instrumentierung (Gitarre,Geige,Bass und Mundharmonika) den einen oder anderen Schauer.
Neben den bekannten Bluesstandards gab es auch längere Instrumentalpassagen u. a. mit Flamencoklängen. Die Band wurde begeistert von uns aufgenommen.
In den Pausen gab es noch musikalische Einlagen von anderen Teilnehmern. So hatte auch „Pithecanthropus“ einen kurzen Auftritt mit „Blue Suede Shoes“. In der Band spielte u.a. Thomas Schulze der dann später zum „Piano Schulze“ wurde und uns auf so einigen weiteren Bluesfeten mit seiner Musik erfreute.
Nach dem Konzert war klar, dass wir weitere Konzerte folgen lassen wollten, nur wurde es dann zunehmend schwieriger eine Genehmigung zu bekommen.
Wilfried L. bekam kurz darauf Besuch , vermutlich von der Stasi. Wilfried hatte nämlich das Geld kassiert, welches jeder Teilnehmer im Voraus per Postanweisung eingezahlt hatte.
W. sollte nun die Teilnehmer der Veranstaltung bekannt geben. Meines Wissens hat er dies nicht getan und die Herren konnten unverrichteterdinge abziehen.